JS2-Chemiker erkunden Ausstellung zum Anthropozän

Zum Ende ihrer Schullaufbahn am FEG besuchten die Abiturientinnen und Abiturienten, die den Chemie-Leistungskurs belegt hatten, die Ausstellung zum Anthropozän in Stuttgart. – Was sich hinter dem Begriff verbirgt, erklärt uns Teilnehmer Nam Do:

Wir wissen es alle, kein Lebewesen unserer Welt ist so weit entwickelt wie der Mensch. Die Ausbeute unseres Planeten bedingt durch stetig wachsendes, technisches Knowhow wird immer größer, sodass die Tragweite unseres Handelns bereits nicht mehr abschätzbar ist.

Eine heutzutage allgegenwärtige Folge genau solcher leichtfertigen Eingriffe ist der Klimawandel. Der Mensch greift seit jeher in sowohl Biosphäre als auch Geosphäre ein, ohne die Komplexität des Systems zu verstehen, sodass die Veränderungen auch noch in Millionen von Jahren erkennbar bleiben.

Um dieser Frage der Reichweite unseres Handelns und Wirken auf Tiere, Pflanzen und das Gesamtsystem Erde auf den Grund zu gehen, besuchte der Chemie-LK der Jahrgangsstufe 2 die Ausstellung zum Anthropozän im Naturkundemuseum in Stuttgart.

Anthropo-was?

Der Begriff „Anthropozän“ – wörtlich das Zeitalter des Menschen – ist ein junger Begriff, der ein ebenso junges Erdzeitalter beschreibt. Obwohl das Anthropozän als Begriff erst im 21. Jahrhundert Thema wissenschaftlicher Debatten wurde, reicht die weltformende Art des Menschen viel weiter zurück. So haben der moderne Mensch und seine Vorfahren bereits vor zehntausenden von Jahren ihre Umgebung so angepasst, dass einfacher darin zu leben ist.

Doch was genau zeichnet das Anthropozän als eigenes Erdzeitalter aus und wann beginnt es?

Das Anthropozän ist – aufgrund der Eigenschaft als unser Zeitalter – das erste Erdzeitalter, das nicht im Nachhinein bestimmt wird. Dies macht es umso schwieriger, ausschlaggebende Merkmale des Zeitalters zu benennen. Für den Anfangspunkt ist klar: Es muss ein Wendepunkt der Geschichte sein, seitdem unser Handeln eindeutige globale Spuren hinterlässt.

Wie wir bei unserer Führung gelernt haben, wurde dieser Zeitpunkt in den Zeitraum der Industrialisierung gelegt, da es seitdem unter anderem möglich ist massenweise Produkte durch neuartige Maschinen herzustellen. Mit dieser Massenproduktion gehen einige Folgen einher.

Eine Beobachtung sieht man in den Sedimentschichten seit 1950. Dort findet sich neben Kunststoffen und radioaktiven Reststoffen jede Menge anderer Müll, der den Boden für eine Ewigkeit als Müll belasten wird. Viele Prozesse wurden effizienter. Die wachsende Bevölkerung benötigt mehr Grundressourcen wie Essen und Kleidung. Die benötigten Materialien für diese spezifischen Güter werden jedoch durch die Landwirtschaft gewonnen. Gentechnik und der Einsatz von Düngemitteln haben ihre Auswirkungen. Auch in Deutschland gibt es viele Anbauflächen für z.B. Getreide oder Futtermais. Da große Teile Deutschlands natürlicherweise von Wald bedeckt wären, hat der Mensch schon früh in die Natur eingegriffen und für Anbauflächen den Wald gerodet. Ein Extrembeispiel hierfür wäre auch die Zerstörung des Regenwalds, die wir aktuell miterleben können. Durch unser Konsumverhalten tragen wir dazu bei, ob es so bleibt.

Durch die Zerstörung bzw. Beeinflussung von Lebensräumen sinkt auch die Biodiversität auf rasante Weise. Die anstelle des Waldes angepflanzten Monokulturen bieten nur für eine sehr beschränkte Gruppe von Tieren einen adäquaten Lebensraum.

Der rasante Bevölkerungsanstieg bewirkt, dass auch in Deutschland ein Großteil besiedelt oder bewirtschaftet ist. Die Waldflächen, die noch übrig sind, sind nicht naturbelassen und werden forstwirtschaftlich geführt. Dies kann durchaus schädlich für Waldflächen sein, da oft zum Beispiel mit Pestiziden gegen Schädlinge vorgegangen wird, ohne dass man sich Gedanken über die Auswirkungen auf das ganze Ökosystem macht.

Die Ausstellung in Stuttgart zeigte ein Beispiel dafür aus dem Jahr 1977. Dort wurden fast 7000 natürliche Feinde des Eichenprozessionsspinners bei einer Bekämpfungsmaßnahme ebenfalls getötet. Auch bezüglich des Borkenkäfers und der unglaublichen Schäden, die in den Fichtenwäldern entstanden sind, gibt es Bedenken von ökologischer Seite, dass man mit dem radikalen Abtransport des Totholzes, den natürlichen Feinden des Buchdruckers ebenfalls schadet. Es wird ohne ganzheitliches Verständnis ins Ökosystem eingegriffen, weil wirtschaftliche Interessen priorisiert werden.

Wir stellen synthetische Stoffe her, deren Lebenszeit mehrere Generationen überstehen werden. Die Müllbelastung durch Plastik und Altkleider wird zu einem Problem, das den nachfolgenden Generationen ohne Lösungsansätze übergeben wird. Ein Beispiel aus der Ausstellung zeigte Mehlwürmer, die Styropor zersetzen konnten. Das Endprodukt kann als Pflanzendünger eingesetzt werden.

Mit der Industrialisierung geht auch die Erfindung effizienterer Transportmittel einher, die die schon viel früher angefangene Globalisierung vorantreibt. Durch die Globalisierung werden auch unter anderem fremde Spezies unabsichtlich in andere fremde Länder importiert. Diese neuen Arten können sich in das neue Ökosystem einordnen oder z.B. durch das Konkurrenzausschlussprinzip zur Belastung für die einheimischen Spezies werden, diese sogar verdrängen oder sich durch fehlende Fressfeinde ungehemmt vermehren. Ein Beispiel für solch eine invasive Art lässt sich auch in unserem direkten Umfeld in dem Sandhäuser Wald finden. Hier hat sich die in Südamerika bzw. Asien stammende Kermesbeere breit gemacht und gefährdet die Naturverjüngung unseres Waldes.

Dies sind nur einige Aspekte, die uns durch unseren Besuch der Sonderausstellung im Anthropozän näher gebracht wurden. Wir wurden für unseren Umgang mit der Natur sensibilisiert und dazu angeregt über unsere Handlungen gründlich nachzudenken, da diese weitgehende Folgen haben können.